Weinnase auf den Azoren 2003

Newsletter Nr. 198: "Alle guten Dinge sind drei!"


Nur noch wenige Tage und noch weniger "leere" Flaschen (Seiten) für die "Flaschenpost" hab' ich auf "meiner" kleinen Atlantik-Insel. Eins, zwei und drei, ist bald hier diese herrliche Zeit vorbei und wir gehen weiter, immer heiter, auf Terceira zu. Und nun seh' ich zuz, was ich für euch in die letzten >3< Flaschen an Wichtigem Netten, Aufregendem, Umwichtigem, Nachrichten, u.s.w., von den Acores tu?!

Denn mir der >Nr. 200< wird die "meine" ECHTE Wf., die Barbara Becker in Düdo froh' sein, so bald nix mehr von mir und meinen kl. Erlebnissen "von hier" zu lesen "übersetzen" (=entwirren u. verstehen) und in einigen Internet-Seiten gefällig zu "verpacken".
Wieviel an Seiten ich nun auch schrieb, ich tat's für mich, um Euch zu erfreuen und um einige Tipp's so "rüber" zu bringen. Wenn's mir gelungen ist, wenn ihr Zeit & Muße gefunden habt, wenn's nitt zu >kryptisch< war, na wunderbar!

So, nun die letzten 3 Flaschen her, ich erzähl' Euch jetzt 'ne Mär!

Wie üblich, ist die Zeit schon lange her. Und ich so hinter meine "Ersten Flamme" her (so nannte man -damals- (s)eine Freundin!). Mut hatte ich damals schon besessen. Damals, das war... vor nun über zwei Generationen. Der II. Weltkrieg war in die sog. "schlechte Zeit", meine Kindheit und erste Verliebtheit, übergegangen.
Die Damen trugen noch Kostüme -obwohl keine Karnevalszeit war- in Nachtisch-Farben: Vanille-Rock mit Himbeer-Bluse zu hochhackigen Schokolade-Schuhen. Sie "stanken" >riechen< konnte ich noch nicht "richtig" aussprechen (obwohl ich mit 2 Jahren schon >Prychologie< fehlerfrei, dafür "Paperlakatsaüle" und "Cermedes" nicht "richtig" aussprach...), also, die netten Tanten >stinken gut< nach... ROSENDÜFTEN und ich hatte mich -erstmalig- verliebt.
Es war Sommer in der Nachkriegszeit im Rheinland. Düsseldorf war zu annähernd 88 % zerstört worden und die Gegend um den "Spichernplatz" -der Rheinmetall-Werke wegen- total. Die Straßenzüge in Derendorf -wie der Stadtteil um den Spichernplatz hieß- waren größtenteils trümmerfrei. Und am Spichernplatz, der für uns "Trümmer"-Kinder mehr nur als eine Straßenbahn-Haltestelle mit BauschuttBergen war, da hatte die Fa. Fortenbacher etwas kleines, behelfsmäßiges aus eben den "Trümmern" aufgebaut. Im Vergleich zu heute eine Hütte nur. Aber das 1. Blumen-Geschäft der Nachkriegszeit in meiner Kindheit, daß ich so das erstemal sah!

Und wie heiß es auch in diesem Sommer, in den Endjahren 1940 war, es war kühl in dem kleinen Verkaufsraum. Halbdunkel. Und es "stank" so unendlich gut dort, an jenem Ort. Unbekannte Düfte!
Und da sah' ich >SIE<: Ein Traum von Blume!
Ach was Blume, meine Große, Erste Liebe!
Und sie sah nicht nur so unverschämt gut aus. Sie hatte so was -nie gekanntes- betörendes an sich. Ich MUSSTE sich ganz einfach ansehen. Konnt kaum noch von IHR lassen... "Du sollst mir aber die Rosen nicht anfassen, kleiner Mann" klang es streng von dem Raum hinter der Verkaufs-Theke her. Da stand er. Herr über alle Pflanzen, Nelken und ROSE; so also heißt SIE, sagte ich mir stumm.

Zu jeder Zeit sagte ich noch nicht viel, damit mich "die Leute" nicht für sie "dumm" hielten, wiel ich noch nicht alles und "richig" aussprechen konnte. Also bleib ich "stumm", war ja nicht "wirklich" so dumm. ROSE hatte mein Herz gewonnen. Im Nu!
ROSE ging mir nicht mehr aus den Sinn, und der "kleine Mann" so oft er konnte zu Fortenbacher in den Laden. Tat ja nichts und niemand schaden: Blickte stumm und sehr verliebt meine ROSE an. Seit Tagen! "Die Leute" taten, tuschelnd nur den "Herrn der Rosen" fagen, warum ich denn so stur -und dies seit Tagen- die Rosen tät betrachten?!

"Ach Gott, der Jung' ist stumm", so ging die Mär die Runde um. Und von Stund an, wurde ich, der doch "richtig" fließend sprach -und seit Jahren schon- "der Rosenkavalier" genannt. Mir war's egal. Sollten sie nur spotten, konnte ich dafür recht ungeniert IHR nahe sein. Sie sehen und... auf einmal verstehen: Kaum glaublich, SIE "sprach" zu mir, dem "Dummen Jungen". Dem als "Rosenkavalier" verspotteten "Stummen"! Zu mir... das sagte SIE, daß wolle SIE: "Ich will zu dir, Ich gehöre dir. Nimm mich"!

Fortenbacher's kümmerten sich schon gar nicht mehr um mich. Ich stand doch nur so dumm herum. Meine Spielkameraden hänselten nur und mit der Zeit wollte keiner mehr -wenn ich's mal gerne sollte- mit mir "Indianer-Krieger" spielen. Was mir blieb, war meine ROSE nur, ganz lieb!
Die Zeit zu Muttertag die drängte. Nix war mehr in der Spardose. Dies war ein echt heißer Sommer schon im Mai in den letzten Jahren der 1940-iger. Goffart's hatten gerade -in einem Torbogen der Essener Str.- ihre >Eisdiele< eröffnet und ich meine Spardose für Vanille, Himbeer und Schokoladen-Eis, bis nichts mehr drinne war für Eis und... Muttertag. Oh weia.
Mein Vater, den ich nur hinter Stacheldraht, aus der Ferne für Minuten sah, war noch in Gefangenschaft geblieben. Ich, ich tat meine Mutter >sooo< lieben und... die ROSE.

Trug noch die "Kurze Hose" aus grau'm Soldatenstoff, die so abscheulich kratzte und... hörte meiner ROSE zu... "Nimm mich, ich gehöre nur dir..." Und bei Fortenbacher geschah das "Wirtschaftwunder" für mich erschreckend sichbtbar und kam meiner geliebten ROSE immer näher... je näher der verflixte Muttertag kam, wurd' mir ganz bange denn... oh dann, dann würden des Fortenbachers derbe, grobe Hände SIE aus der Porzellan-Vase ziehen und... "verkaufen".

Nix für den Muttertag gespart, und nun dies absehbare Ende einer Ersten Großen Liebe: Meiner ROSE! Verkauft, weggenommen und für unfassbar viel an Geld, mehr als ich in Duetschen Pfennigen zählen konnt - FORT FÜR IMMER!!
Es war der letzte Tag vor Muttertag; ein so entsetzlich heißer Samstag. Die ersten, kleinen, aus Trümmern aufgebaute Geschäfte hatten -damals- alle "langen Samstag", d.h. auf bis, weit bis nach der Zeit als ich zu Hause und im Bett sein musste.
Im Bett dann, von Alb-Träumen gequält, Mutter die letzten Tage meine "lieben Omi" fragend, "was der Jung' wohl wieder hat" sagen, und an das nahe Ende einer tiefen Beziehung -zwar stumm und für viele bestimmt recht "dumm" eines kleinen Mannes Großen Liebe denkend: VERKAUFT!
Für viele Pfennige: 50 an der Zahl! Ein Eis, gespachtelt und riesig lecker und sooo groß, das gab's für >5< Kupferstücke schon. Daß wusst' ich doch! Denn ich war nicht wirklich "dumm", nur wurd' ich für dies und stumm gehalten; von "den Leuten" am Spichernplatz und dort herum!

Es ging dem Ende zu; ich musste gehen. Meine Zeit für's spielen und... "ansehen", die war so eh' schon lange um und Mutter's Sorgen wollt' ich durch mein Verspäten nicht noch mehr vertiefen. Da fühlte ich, wie sie mir liefen: Heiße Tränen! Vor Abschiedsschmerz! SIE hörte nicht auf zu flehen... "Ich will mir dir gehen. Nimm mich..."
Fortenbacher drehte sich zu seinen letzten Kundne um und... plötzlich, nicht mehr stumm, schrie ich > "JAA" < und... rannte mir ihr in beiden Händen, SIE so an mich schützend, hegend für den Fall aller blöden Fälle; ich rannte, rannte und dem dicken "Schupo" (ehem. Angehöriger der damals waffenlosen Nachkriegs-Polizei...) in die großen Hände und die hielten -grob- mich fest. Ich schützte meine ROSE, strampelte und schrie; die Fortenbacher Kunden kamen hinterher, der Fortenbacher schnaubend auch: Aus der Traum - Gefängnis wohl und dann der Hohn u. Spott: Ich wünschte mir, ich wär' weit fort! Mit meiner ROSE in beiden Händen, von der Polizei gefangen...
Alles währe -beinah!- so gegangen, wenn nicht "die Leute" es im Chore schrieen: "Ein Wunder! Ein Wunder ist geschehen, der Jung kann wieder sprechen"! Und da waren sich Alle und noch weitere die hinzukamen ganz einig: "Ein wahres Wunder war geschehen"! Durch der ROSE "Kraft" könnte ich wohl wieder sprechen. Es sprach sich rum, ich wurd' begafft!
Uff... geschaft; kein Gefängnis mehr. Geld wurd' mir sogar gerührt geschenkt. Die ROSE durfte ich - SIE meine kostbare - behalten und... so ging ich denn nach Hause!

Mutter's Zorn und Geschrei, das tat ich nun weniger fürchten. Hielt ich doch "meine" Erste Große Liebe in den meinen, kleinen schwitzigen Händen. Den Fängen der Polizei war ich entkommen. Ein Wunder? Mir war's einerlei. Dazu war ich, ganz unverhofft noch zu Geld gekommen, wo ich aber's Muttertags-Geschenk tat herbekommen war mir einerlei?

Da stand sie nun, in vollter Größe und mit Zornesröte: Meine Mutter und wollt zu schimpfen, schelten grad anfangen... da sah sie SIE und ihr finsteres Gesicht wandelte sich. "Oh ist die wunderschön... für mich?" und tat mich -verdutzt ob des Raubes meiner Ersten Liebe, und ganz ohne Hiebe, voller mütterlicher Liebe- in die Arme nehmen!
"Mutter schau mal, was mein "kleiner Mann" mir zum Muttertage schenken will" rief sie meiner "lieben Omi" durch die Türe zu, und schloß diese hinter uns dann zu! Hinter mit lag das... "Das Wunder vom Spichernplatz", der "Verlust" einer ersten Großen Liebe, zu "meiner" ROSE.
Die nun meine Mutter hochbeglückte und erfreute. Und die tiefe Erkenntnis eines "Jungen Mannes", daß man mit dem RICHTIGEN Wort bei Zeiten seine Große Liebe bekommen kann. Oft genügt nur ein klares, lautes "JA"! So wie bei mir! Am Muttertags-Sonntag-Morgen stand ich mit -echtem- Bohnenkaffee am Bett meiner Mutter; die "liebe Omi" hatte ihn sich von der kl. Kiregswitwen-Rente abgespart, gekauft auf'm "Schwarz-Markt" und vorsichtig -es war ja nur sehr wenig- aufgebrüht.
Mir mit der ROSE -meiner ehemaligen Ersten Freundin- und selbstgemachten Kuchen auf's Tablett gestellt und... da hörte ich meine Mutter sagen "auf allen Kaffee für hundert Jahr könnt ich verzichten, hab ich doch so was schönes von meinem SohneMann geschenkt bekommen"!
Da ward ich doch recht beklommen und näher an ihr Bett -in der Küchenecke, hinterm Vorhang "versteckt" gekommen und sah meine Mutter vor Glück... weinen und lachen, die Arme nach mir, ihrem kl. Mann in kurzen Hosen ausstrecken.
Und ich fühlte ihre Liebe! Viel wärmer als... obwohl: (S)Eine Erste Große Liebe, die vergisst wohl kein Mann!

Nun, die war keine -echte- Mär, sondern die Wahrheit aus einer längstvergessenen Zeit, in der Zeit der Trümmer und mit Vätern in Kriegsgefangenschaft, wo eine > DIE ROSE VOM SPICHERNPLATZ <, so die meine Erste Liebe, wahre Wunder tat; in Liebe.
Fragt ruhig mal "die Leute von Heute", wo sie SIE noch so erleben. Wie damals, als ich die Sprache wiederfand. Bei Fortebacher's am Blumen-Stand am Spichernplatz. "ALte" Derendorfer erzählten ihren Enkeln noch immer die Geschichte von "meiner ROSE", "meiner Liebe"!

Ich hab keine Kinder, keine Enkel, ich erzähl halt euch dafür Geschichten allzugerne!
Eure olle Weinnase,
die die ROSE(n) heut' noch liebt!