Weinnase in Brasilien 2008

XXII. Weite Wege in Brasilien!

29.10.2008

Tach aber auch!

Nun haben wir - Oswaldo und wir Gäste - uns das alte Farmhaus am "Passo do Valdez" in Morro Redondo etwas aufgeteilt. Unser kl. Schlafzimmer und ein Flur mit kl. Küche nutzen nun b.a.w. wir. Das WC und Dusche "teilen" wir uns und leben so ohne grossen Verdruß.
Denn die Casa Grande wird definitiv nicht rechtzeitig fertig. Und die Planung, eine kl. "Hütte", mehr ein steinernes Häuschen, grün angestrichen und im Grünen an der Farm von Don Oswaldo nur vorübergehend zu nutzen, hätte weitere Arbeit und Renovierungen sowie Ausstattungen bedurft. Dies war aber in der knappen (Arbeits-)Zeit, die unserem Gastgeber, noch bis Monatsende in MoRe bleibt, nicht zuzumuten.
Also leben wir "brasilianisch" und etwas eingeschränkter, d.h. beengter im Lebensraum. Zu einem wahren Alptraum haben sich hier die beiden extremen Unwetter und der andauernde, zu dieser Zeit in >RS< unübliche kühle Regen entwickelt. Aus dem Haus konnten wir nicht, die Wäsche auf der Leine trocknet nicht und wir machen seit über einer Woche ein seeeehr "langes Gesicht"! Denn so erwarteten wir Brasilien im Gaucho-Land nicht. Heiteren Sonnenschein und kleinere "Erkundungsreisen" sahen wir als weiteren Verlauf unserer Pampa-Tour, lt. den Angaben der Meteorologen und Erzählungen von "Hiesigen" entgegen. Doch es herrschte Regen (Sturm und Hagel) - so wie erbärmliche Kühle - vor. Unwetter, in dieser Form und Stärke seien hier im Pampa-Land sonst eher unbekannt, wurde uns allseits uns bedauerd, mitgeteilt: Tegen (=Chuva) sollte es in solcher Dauer und Heftigkeit nicht geben; nao!
Wir wollen uns "bewegen". Noch mehr von dem doch sehr weiten Land, zwischen Argentinien, Uruguay und langem Atlantik(-Stränden) sehen. Uns über eine der Möglichkeiten zum längeren Verbleib in >RS< genauer ansehen (>RS< ist so groß wie die BRD, aber im "Inneren" der Pampa -fast- menschenleer), Städte und Sehenswürdigkeiten besichtigen und unseren bisherigen Eindruck vom Süden in Brasilien "berichtigen". Denn statt trocken - warmen Pampa-Land, heißen und weiten Sandstränden mit säumenden Palmen, ists bislang für uns nur das "Regenland" (und in der Pampa hieß es "Land unter") gewesen. Von solcher Reise nach Brasilien tut man -wie wir- nun nicht gerade träumen!

Für die nächste Zeit wurde uns aber Wetterbesserung angesagt. Wir haben schon nach Bus-Verbindungen -via Rodeviaria von Pelotas- nach >Rio Grande<, der alten portug. Gründungs- und Hafenstadt am Atlantik, nachgefragt und uns gefragt, ob wir denn bei Sonnenschein den angebl. längsten Strand Brasiliens mal sehen unbd herrlich, sonniges "freies" Strandleben auf einer Tagestour erleben können. Wäre uns "Trauerklöße" doch wohl zu gönnen! Oder?
So, nun ist eine bewölkte "Regenpause" seit 2 Std. eingetreten. Nun werden wir "lostreten" und zum Dorf, zur Post, zum Mini-Market in die kurze Zeit der Trockenheit aufbrechen.

Meine Frau hat ihre Neigung zum "Grünen Daumen" nun unter Beweis stellen und sich als Pampa-Bäuerin vor einigen Tagen, hinter Pflug mit Gaul von Oswaldo, bewähren können. Es wurde hier eine Pflanze in nicht sehr tiefen Ackerfurchen des humusreichen Bodens - in zeigefingerlangen Aststücken - ausgebracht, d.h. in die Furchen gelegt, mit beiden Füßen angedrückt, in den Ackerboden.
<Maniok> ist eine scheints eher einfach zu kultivierende Pflanze in Strauchhöhe von 1-2 m. Nur die spitz zulaufenden Knollen, von bräunlicher Farbe und ca. 20 cm Länge werden bei der zweijährigen Pflanze geerntet. Geschält und gekocht, gesotten, gebraten oder aus als Mehl verarbeitet, gehört Maniok zu den Leib- und Magenspeisen der Brasilianer. Sie ist nahrhaft, eiweiß- und sehr stärkehaltig und - in ihrer "wilden" Art höchst toxisch - tödlich, weil blausäurehaltig. Die Ur-Einwohner nutzen auch die "wilde" Pflanze als Grundnahrungsmittel. Bei genügend Wärme (ca. 25°C), Feuchtigkeit und in humösen Böden ist dieser Strauch sehr ertragreich.
Die Ur-Einwohner im Amazonas-Gebiet, in Brasiliens Norden, entwickelten eine -sichere- Methode, das tödliche Gift (="Saft" der Pflanze) durch pressen in "Tipiti" (geflochtener harter Faser-Schlauch einer Liane) und mehrmaligem kochen nebst abseien der "Goma de Tapioca", die sich an der Oberfläche bildet, und dem leichteren auf ihr "schwimmenden" "Tucupi", das abgeschöpft wird.
Das blausäurehaltige -giftigere- Manipuera muß man mehrfach aufgekocht abschöpfen, bis die begehrte und genießbare Masse den "Tipitis" entnommen, getrocknet (leicht geröstet) und als "Farina de Mandioca (=Maniok-Mehl) entstanden ist.
Dieses Mehl ist in allen Speisen -eingerührt- zu finden oder als Pürree (=Pirao), in Butter (Bendé-Öl) gebraten als Farofa eine sehr beliebte und delikate Beilage. Zusammen mit den "schwarzen" (runden) Bohnen, ein fast überall genossenes Nationalgericht. Dazu fangfrischen Fisch, Geflügel oder -meist- Rindfleisch und es ist ein typisch "brasilianischer Tisch".

Die von Brigitte als fleissige Helferin ausgebrachte Maniok-art gehört zu den ungiftigen, unbedenklichen zu verzehrenden Sorten, die in gekochter Form, wie unsere Kartoffel, auf den Tisch kommt. Aber auch in anderer genußreicher Art zubereitet, kommt die preiswerte und leckere Wurzel der >AIPIM< oder >Macaxeira< überall in den Handel und oft auf den Tisch - so wie nun auch bei uns im alten Farmhaus. Obwohl uns Oswaldo die "Gruselgeschichte eines Händlers" erzählte, der -irrtümlich- die giftige Sorte verkaufte und über 36 Menschen qualvoll dann kurz drauf verstarben. Rindviecher, die die "wilde" Maniok fraßen, verenden minutenschnell. Dies machte uns unseren ersten "Tellerversuch" nicht grade leicht - aber... solche Geschichten des Horrors sind nicht geeignet, mich von -unbekannten- Genüssen abzuhalten, zumal die beiden "Alten" grinsend so unsere Zurückhaltung quittierten!

Es gibt (k)eine "brasilianische Küche"! Es gibt 26 Bundesstaaten und den Regierungs-Distrikt Brasilia, also mehr als 27 Länderküchen und unzählige Regional-Küchen, teils ethnischer Prägung und die Küchenstile der hier heimischen Einwanderer und die -mich- sehr faszinierende "Amazonas-Küche", die uns Europäern so vollkommen unbekannt ist. Z.Bsp. Piranhas vom Grill mit prickelnder Maniok-Soße und Jambublättern, pikant mit gelber Chili-Soße (Pimenta-de-Cheiro) abgeschmeckt zu frischgepresstem (mir unbekanntem) Saft von "Urwaldfrüchten". Jambu ist ein Blatt, ein Kraut, gut gegen Kopfschmerzen und Magenproblemen, hilft bei Anämie und gegen den üblen Zahnschmnerz.
Und... es schmeckt - leicht bitter/adstringierend wie knackiger Kopfsalat oder junger Spinat; irgendwie wie ein "Mittelding" von beiden aber ungewohnt und lecker! Halt ruhig mal die >comidas typicas< durchprobieren und sich nicht genieren, nachzufragen, was und wie, von was auf dem Prato -Teller voll- landet und i.d.R. preiswert ist (so kann man ca. 6 Euro für 2 Personen-Gerichte kaum bewältigen!).

Das Speise- und "Küchenstile"-Angebot ist riesig wie das Land und uns (Touristen) und den meisten Brasilianern gar nicht oder kaum bekannt. Wie riesig, dieses Land in der Neuen Welt von Südamerika ist, habe ich schon genügend -versucht- zu beschreiben. Um hier alle (26+1) Bundesstaaten zu besuchen, genügt keine der von -erfahrenen- Reiseveranstaltern und "Brasilien-Spezialisten" oft angebotene "Große Brasilien-Rundreise" über 3, 4 oder gar 6 Wochen. Denn würde ich mir für die fantastischen "Naturschönheiten", die historisch bedeutungsvollen Orte und Baudenkmäler, übliche touristische Highlights >nur< 6 Tage je Bundesland an Zeit nehmen, würde ich dabei die oft langen und dabei beschwerlichen Anfahrten (Bus, -Boot und Flug) nicht mitrechnen, dann wäre ich... 162 Tage on tour und käme mir wie ein japanischer Weltreisender vor. Realistisch betrachtet, müsste ich über 26-28 Monate in Brasilien -pausenlos- unterwegs sein, um mir bloß einen kleinen, flüchtigen Eindruck zu machen; 3 Jahre quer durchs weite Land, zu weitentfernten "Inseln der Träume" oder gar 'ne Bootstour auf dem Amazonas hätten dann aber immer noch nur einen Stipp-Visiten-Charakter.
Und... diese sicherlich spannende Reise -ich sags mal leise-, die können wir uns, auch als sparsame Individual-Reisende, nie und nimmer erlauben. Mit 1.200 Euro pro Monat kann man einigermaßen komfortabel und sauber wohnen, reisen und sich einige der hinreissenden Brasilien-Highlights erlauben aufzusuchen - die sehr zeitlich unterschiedlichen Klimaverhältnisse des "Kontinents im Kontinent", die sog. "Regenzeiten", übermäßige Hitze oder die stark frequentierten bras. Reise-Urlaubsziele wären dabei UNBEDINGT zu berücksichtigen, genau wie im Süden (hier in Rio Grande do Sul) die zu Europa "umgekehrten" Jahreszeiten: nun ists hier Sommer(beginn), der bis April/Mai des Folgejahres andauert.

Nein, wir haben es nicht bedauert, mit diesem Wissen um die Unmöglichkeit, dieses riesige und vielseitige Land nie jemals in seinem schier unfassbaren "Angebot" - und bei meinher bekannten Neugier, bei/mit "Land und Leuten" einfach zu leben - gänzlich kennenzulernen, d.h. zu bereisen. Aber, wer kennt schon ganz Europa? Bei der dort ungleich schnelleren und bequemeren Art zu reisen?

Na! Nun begriffen, warum ich nicht bloß auf ein Internetportal ≶www.brasilien.de< verweisen werde, sondern die "Step-by-step"-Touren und Empfehlungen weitergeben werde, wenn ich dort "on the road" gewesen und zeitweilig gelebt und etwas -eindrucksvolles- mitbekommen habe. Und dies dauert nun mal =>JAHRE! Und selbst nach all dieser "Traumneit" bin ich schon jetzt bereit, zuzugeben: Es wird nur Fragmente eines "weissnasigen", suchenden und auf "andere Art und Weise" lebenden <"Abenteurers"< geben.

Schon meine "Spurensuche", vor Portugal, via den Azoren, und nun in der Neuen Welt die Routen der "Weltentdecker" nachzureisen - bequem unbd relativ sicher sowie fast sorglos - dauerten schon Jahre; seit Anfang der 70iger Jahre des letzten Jahrhunderts! Natürlich mit manchmal sehr langen Unterbrechungen und anderen Widrigkeiten des "rauschenden Lebens" -behindert- habe ich dennoch mein Ziel verfolgt. War sogar in Indien, wo Portugals eigentliches Ziel der damaligen Entdeckerreisen (Spanien mit Chistopherus Columbus; USA) und - beinahe auch in China - war.
Blieb stets einige Wochen mindestens, oft genug Monate auf "Spurensuche" rund um die "Weinwelt". Daneben gabs auch mal -leider- Ausrutscher in die "Scheinwelt", die viel zuviel Gelt kosteten, mir aber nichts bleibendes als "schalen Wein" in verblassender Erinnerung ließen.

Ich verrats mal, ganz leise: ich tippele nun -fast als ein Greis- nun nicht imnmer den Highways des Lebens lang. Und selbst der beschwerlichere, oftmals der scheinbare Umweg oder das unwüberwindlich sich zeigende Ende einer Sackgasse hat mich nie verwirrt, ich ging stets unbeirrt einen - nicht grade "leicht" zu nennenden Weg. Mal kaumn erkennbarer "Trampelpfad", mal 'ne protzig beleuchtete Avenida, mal 'ne schattige Allee, mal durch Regen, Eis und Schnee. Oft taten mir Füße und Rücken -wegen der Lasten- weh und auch ein, zweimal lief ich mir die Zehen blutig.
Durch Dunkelheit ging ich - mir selber Mut zusprechend - heiter und immer weiter. Selbst über unsichere Brücken und staubig-stolprige Pisten, zog es mich stets neugierig-wissbegierig um die Welt, heute nun mit sehr wenig Geld, aber immer noch, wie's mir gefällt.

So bin und bleibe ich semper idem "on the road again"; nun aber nicht nmehr allein, sondern mit meiner Frau!
CpS


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