10.11.2004
Zwischenbericht einer pilgernden Weinnase
Ja, damals war datt so. Und der Winzer-Jung froh, datt er die berufliche Laufbahn mit einer Lehre beginnen konnte. Sein Vater kannte datt noch nitt. War einfach "nur" ein Bauer, der auch passablen Wein anbaute und sich um Kunden ringsum bemühte!
"Versenken sie mal einen Nagel in ein volles Weinglas".
Diesen Lehrsatz konnten früher mal jg. angehende Winzer bei ihrer Ausbildung noch zu hören bekommen. Früher, noch in den 50-igern des 20. Jahrhunderts, gab's ja "Stahltanks", die nicht aus Edelstahl bestanden. Und denen setzte die dem Wein eigene Säure so zu, daß das Eisen -unbehandeltes, ungeschützes Eisenblech- angegriffen wurde und der Wein trüb wird. Und er ist auch nicht mehr -z.Bsp. durch filtern- klar zu bekommen. klar, datt datt ein Winzerlerhling NIE mehr vergisst. Damals, als noch Weinbauern ausgebildet wurden und nicht die "Philosophie" an Universitäten und Hoch-/Fachschulen studiert wurde.
Damals, datt war auch der Super-Sommer 1959, der wohl so hohe Oechsle-Grade brachte, daß die Weinbauern -so auch an der Nahe- so große Augen wie Hühnereier machten. Wohl wirklich das allerbeste Weinjahr in 100 Jahren. Nur... damalt konnten die Weinbauern mit solchen Weinen noch gar nitt viel anfangen. Verkauft wurde er aber wie toll. Kein Wunder, nach den 3 Jahren der vorangegangenen Mißernten.
Aber 1956, das Jahr mit einem arktischen Winter, der sich bis Mai 1957 fas jeden Rebstock in den Frosttod holte. Im Mai 1957, zu den Eisheiligen, wurde 8 - 10 Minus-Grade gemessen. Alle, grad mal so ca. 20 - 30 cm langen Triebe der Rebstöcke waren schwarz -erfroren- tot!
Kein Wunder datt datt aus dem JG 1956 keinen Wein geben tat. Selbst die Schulen fielen damals -wegen Kohlemangel- tagelang aus.
Wenn Geschichten mit dem für mich magischen Wort DAMALS begannen, dann hab' ich mich zurückgenommen, mir Zeit genommen, noch 'nen großen "Schwupps" in's Weinglas gegossen und dann diese Geschichten genossen!
Geschichten von Weinbauern, Winzern "alter Schule", die so knorzig wie die Weinkloben auf den Wingerten waren. Lebenserfahrung und harte -gerbene- Arbeit hatte sie ausgezeichnet. Das Wort >Philosophie< wäre ihnen bei ihrer Bauernarbeit >nie< in den Sinn gekommen. Die hätten wohl "Reissaus" genommen, hätte ich sie bei meinen Besuchen nach >ihrer Philosophie< befragt. Oder sie hätten mich unverständlich angesehen - ausgelacht.
Und man(n) hatte erwartet, wenn der Winzer zur Vesper einen Witz erzählte, das -herzhaft- gelacht wurde! "Kennste den":
Die Premiere: Der jg. Kaplan, der zum ersten Male in St. Josef im Weinort predigen sollte, hat, um seinen Hemmungen zu überwinden, sich vorher ein paar Gläschen Wein aus dem Vorratsschrank von unserem alten Herrn Pfarrer einverleibt. Und, siehe da, das Feuer seiner Predigt ist gewaltig.
Hernach bittet ihn der Herr Pfarrer zu sich und spricht seine lobende Anerkennung aus.
"Allerdings", fügte er hinzu, "sind mir doch 3 Kleinigkeiten aufgefallen:
Oder die Geschichte vom Professor Trost! Der in Geisenheim hochverehrte und bekannte Gelehrte eimpfahl, Anfang der 60-iger Jahre des letzten Jahrhunderts, den Weinbauern -auch im Nahe-Weinland- als Non-Plus-Ultra, das Präparat >RAKO< als Reinigungsmittel. Ein neues, allerbestes Faßöl. Nur... dieses Rako brachte eine Verseuchung des gesamten Faßkellers mit sich. Alle Weinne hatten einen irgendwie untypischen Fehlton.
Über 10, 15 Jahre bis Ende der 80-iger Jahre war dieses Rätsel ein Albtraum eines Weinbauern. Trank er Wein in seinen eigenen Mauern, konnte er nicht -gar nix- an Fehlton feststellen. Wurde derselbe -der GLEICHE- Wein dann außerhalb degustiert, hatte er den Fehlton. Datt Rako der Übeltäter war, stand bald fest. Auch, datt die Keller, Fässer, Ausstattung, ja sogar die Kleidung Rako-verseucht war.
Mit ungefähr 3-5 gr. Kohle pro HL konnte dies "Problem" ein langgehütetes Geheimnis der Weinbauern bleiben. Die Lösung des Problems war aber -nachhaltig- die kpl. Stillegung der Keller, Entsorgung aller Fässer und (auch PVC-)Lagertanks. Kpl. Raumsanierung: Putz von den Wänden, sandstrahlen, neue Böden, neue Verkleidungen und... neue Hose und Jacke für den Alten, den Chef auf'm Hof!
Ja, so war datt damals, als auch ich meine Erfahrungen machte, Winzerhöfe besuchte und bis heute -über Generationen die Weinbauern meines Vertrauens- die Senioren (genau wie ich) in den Muster-Güte-Betrieben und mit Plaketten/Medaillien und Presse-Artikeln hoch dekoriert. Und datt alles, weil damals der Alte neben mir -dickköpfig geblieben- lieber seinen Wein selber abgefüllt statt - wie's Tradition in den bäuerlichen Mischbetrieben (Ackerbau und Viehzucht mit Weinanbau) war - als es noch den "berühmten" Mischsatz im Wingert gab-! Ja so war's damals!!
Und heute heimst der presseroutinierte, in Geisenheim studierte und in Kapstadt oder Oregon, Kalifornien, Australien sich ein, zwei oder drei Jahre vor Ort umgesehene philosophierende Winzer =Winemaker= seine Lorbeeren als Shooting-Star, Weltmeister seiner Klasse oder Querdenker und Verbandstänkerer ein.
Ein strahlender Held in Sachen Wein. Ein Matadore im Stil seiner Verkaufshow gestylten fitten jungen wie feschen Ehefrau. Beide wissen genau, was bei den hin -und zu- verführten Kunden für deren Geld so gefällt. Und datt steht denn da... perfekt gestylt und gar nitt leise. Und auf wunderbare Weise ist's der Weinhof, der sich in eine VINOTHEK mit Gutsausschank verwandelt hat... mit Jazz-Musik und Party-Glamour. Mit **(1/2) Köchen und Gastro-Show!
Ein unbegreifliches "WOHAU..." entfährt mir dann. Und später, beim "Zwiegespräch" mit dem "Alten vom Berge". Abseits vom Besucher-Führungs-Rummel. Beim kleinen Bummel, den landwirtschaftlichen Weg -sicher und perfekt asphaltiert- englang zum "Rebhäus'chen", einem ehemaligen Lager-/Unterstand für die Arbeiter -und Geräte im Wingert-, da gesteht er's mir dann.
Seine Sorgen über die "Borgerei" der Schwiegertochter, damit's nur wieder watt NEUES gäbe, 'nen PORSCHE als Allrad-Fahrzeug. Ein Urlaub "Jenseits von Nirgendwo" in der Südsee, den Feng-Shui-Ausbau der von STARCK-nach Stilern erbauten Gäste-Suiten, der hohen Ver-/Überschuldung.
Datt die Frau -seine Frau- ett nun seeehr genau mit der alternden Figur nähme und sich 'nen flinken Rechtsanwalt aus der nahen Stadt genommen hat, um ihr Recht am gemeinsamen Vermögen =dem Weinbaubetrieb= durchzusetzen und beim Prof. Dr. Schmidt sich's Altersfett für 12.567,55 Euro wegschnibbeln lassen will, und er's -der "Alte Kerl"- nitt "dafür doch nitt", raustun wollte!
"Damals", so sagte er, "waren wir froh, wenn wir mit den beiden Kindern in St.-Peter-Ording, beim Bundeswehr-Kameraden von einst, auf dessen "Dünen-Hof", uns 1 1/2 Wochen Urlaub mit Selbstversorgung leisten konnten"! "Aber..." so fuhr er dann, mich mit müden Augen traurig ansehen, fort, "da stimmten damals auch die Konten"!
Der Vorstand der Volksbank "linker Bachlauf" gab erst seine Ablehnung zum Kreditantrag auf, wenn sein "Genosse" und FDP-Partei-Freund sagte, wieviel "Schwarzgeld" mit der Investition "verdient" werden konnte. Damals war's "Steuer-bescheissen" noch 'n sog. "Kavaliersdelikt" und datt Jüpp'chen vom Finanzamt noch "Lichtstraßen weit" vom Fahnder der Jetztzeit entfernt, der's "Ein-mal-Eins" ja schon per Computer lernt.
Und, nun, das Gespräch von Damals stockte, als er die 3 Gläser und eine Pulle EISWEIN von damals =Anno Pief= aus der Jackentasche hervorbrachte. Bedächtig den Korken zog - und der Werner -Conterflasche- Elflein käme aus'em Staunen nitt mehr raus, kam's ihm über die Lippen... "Noch nie hatte einer der von damals übergebliebenen 300 (!) Weine gekorkt. Denn damals haben die Portugiesen unserem Händler auch noch nitt so'n Mist verkauft wie schon seit Jahren schon, wie heut!"
Was hatte der Alte Herr -grad mal so 3 1/2 Jahre älter als ich- so seit damals alles erlebt und -wirtschaftlich gesund- überlebt: 3 Flurbereinigungen. Den Tod der in Brüssel studierenden Ältesten, die Tochter (die er immer ein bißchen mehr als den "Nachfolger", den Jüngsten mochte). Die größten Umbauten des ges. Betriebes nebst Wohnhaus. Den Tod der eigenen Eltern und deren Geschwister -Onkeln und Tanten- die die verlässlichen Grössen im bäuerlichen Betrieb -besonders bei den Ernten- waren. Hochbetagt an Jahren.
"Damals... hatten wir noch nitt sooo gute Weine" erklärte er mir. "Da trink datt mal"... ich tat's und schwieg... "na, datt ist doch mal watt"!
Und datt war watt -bernstein-honigfarben- im Glas unter meiner neugierigen Nase: >>> Gloria in exelsius deus! <<<
"Watt meinste, müsste ich dafür heute haben" fragte und deutet er auf die fast leere 0,375 ltr. Pulle hin. Auf der nur ein handgeschriebener Zettel -fleckig und "modrig"- klebte! Mich räuspernd und mit -vorsätzlichem- Bedacht sagte ich... "Ja nun, isch wees datt doch nitt..." Da tat er mich schon unterbrechen: "Damals hätt' ich 15, 16, 18 Mark dafür bekommen. Und wär' zufrieden gewesen"!
Dann fuhr er fort, die Flasche in die rauhen, rissigen abgearbeiteten, "prankigen" Hände nehmend "Hab ich aber seit damals nitt verkauft"... stockte er den Satz... "wollte immer watt von "Damals" für so Junges wie dich aus der Stadt haben! Damit ihr seht und versteht watt ich machen kann; als Bauer, du studierter Schlauer" kam's lachend und "breit" -wie's an der Nahe der übliche Dialekt ist- rüber.
"Die ältesten Stöcke hier, die hat mein Vater noch in der Woche vor meiner Geburt -im Kriegsurlaub aus Russland- gesetzt". Damit stockte er wieder... "damals sagte man mir, man hätte nie geglaubt, datt der noch mal heim käme"... und dann sah ich sie, seine Tränen auf dem sonnenwindbraunen Gesicht -so langsam rinnend, die schlecht rasierte Kinnspitze abtropfend- auf dem uralten schmuddelig-staubigen Holztisch mit der grau-gesprenkelten Resopal-Platte!
Dort wo unsere Weingläser einen so unbeschreiblich "dichten" Duft verströmten... Äpfel, die rot-gelben von den Bauernwiesen; saftig gelbe "Fleisch"-Pfirsiche; Rosenblüten, kurz vorm verwelken/verblühen; und die mir so gefallene quietsch-gelbe Quitte mit ihrem besonderen Aroma! Und... nach ein paar "Schnupperungen" die spritzige Grapefruit- datt ist ett, watt dem *R*iesling-Eiswein als Nase/Aromen bestens steht!
"Davon versteh' ich doch watt! Oder?" Mehr rethorisch - wie zu sich selbst gesprochen kam mir dieser Fage vor... "Weine machen kann ich"!
Dann, wie auf ein Kommando, tranken wir unser Glas -langsame Schlucke, wie Durstige- leer.
"Watt sachste dazu, Jung'" fragte er... "watt wär der heute so wert"?
Sein Terroir von Schiefer und teils flachgründigen Gesteinsböden -Sandstein- über Lehm- und tiefgründigem Tonboden und der sonnigen Süd-(West)Lage präsentierend. Dabei überlegte ich, watt soll ich dem Alten denn so sagen? Mich zu einem Urteil wagen?? Ein Fehlurteil als Lachnummer wagen???
"Los, kannst mir ruhig sagen tun"... mit meinem "Ja - nun" begann ich's dann zu tun: Mich bestimmt blamieren... "70, 80 Euro"!!!
Mit sog. "schälem" Blick -das Weinglas fest ins Auge fassend-, schaute er an mir -schweigend- vorbei! "Ein Freund von mir verkauft genau den Wein für 700 - 800 Euro"... sagte er leise, auf bedächtiger Weise. "Denn dem habe ich mit einem Faß von mir damals mal ausgeholfen"!
Feine Säure und ein swingendes Spiel mit den süßen Tönen, graziles Sein. Datt war der bislang beste Wein, den ich seit langem an der Nahe gegrunken habe. Wie so eine "feine" Säure diesen Wein über die Jahrzehnte so... lebendig wie ein Lamm auf der Wiese "springen" lässt. Und wie lange der Groooße Schluck sich noch am Gaumen festhält... "der ist sein Geld wert" sagte ich dann.
"Datt war die letzte von DAMALS. Der Jung hat gestern die Polen in den Wingert geschickt, die Stöcke ausmachen... Dornfelder wird gesetzt"!
Ein jeder wird's glauben... auch ich fing zu weinen an... mit einem Schniefen war's dann aber auch nach 2, 3 Minuten sinnenden, ruhigem Sitzen und auf's leere Fläsch'ken stierend vorbei.
"Also... watt soll ich dazu sagen... ", begann ich meinen Satz. "Lass sein, ist eben halt der letze Wein von damals. Und vom Dornfelder haben wir bald neuen -guten- Wein", fiel er mir in's Wort!
Die Flasche war leer, der "Schmerz" war fort und an jenem Ort an der Nahe trank ich von diesem Winzer mit so viel wie langer Tradition den letzten Eiswein mit Namen... "VON DAMALS".
Auf der Flasche war's Zettel'chen mit den Säure- und Alk., sowie Lagenangaben und einer unglaublichen Jahreszahl. Als man noch in der Schule auf Schiefertafeln statt Computern schrieb.
Ja... meine lieben jg. Weinfreunde... ja, so war datt > DAMALS < ! Als ich noch lernte -auch bei dem älteren Weinbauern- watt mich so als Weinnase > olle Weinnase < ausmacht und seit fast *50* Jahren gefällt auf dieser, unserer so einzigartigen vielfältigen WeinWelt.
Eure olle Weinnase
etwas bedächtiger pilgernd... on the road again!
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