Weinnase: Geschichten aus Tunesien 2007-2008

15. Brief aus Afrika: Eine für uns sehr wichtige Frage hier: "Fén famma mahatta?"/"Kár?"

15.01.2008

As-salámualeikum, Barbara; bes-saláma liebe (Wein-)Freundin!

"Fén famma mahatta?"/"Kár?" =("Wo ist eine Haltestelle"=/"Bus"=)

Einiges ging schief! Einiges lief-leider- nicht so, wie ich's wollte! Nicht alles was ich sehen wollte, konnte ich erreichen.
Zwar ist das Land Tunesien nicht mehr das "Abenteuerland" wie zu Zeiten karl May's. Statt Karawanen mit Kamelen und Bedus als Führern, drischt der Jeep mit 4WD und Guide zu den Touristen-Zielen. Natürlich klimatisiert, wie sein "Großer Bruder", der Komfort-Reisebus veschiedenster Touristen- und Reise-Agenturen. Und bei und mit denen machts Reisen "Spass und Freude", behaupten die 6-sprachigen Werbeaussagen. Mit ihnen erreicht man unbeschwert jedes touristische Highlight "nonstop" und meist in einer Tagesreise, sehr bequem mit labernden Guides!

Wir reisen mit der Bahn, die überfüllt und überhitzt aber pünktlich aus Tunis i.R. Sousse für knapp 5 TDN abfuhr. Wir fuhren mit SAAB und DB-Bussen, von den wir die Stationen unserer "Zielvorgaben" nicht so genau erfahren konnten, von den Rückfahrt oder "Umsteigezeiten" mal ganz zu schweigen. Überfüllt und mit ausgeschlagenem Federsystem, defekten Sitzen, von nicht zu öffnenden Fenstern mal ganz zu schweigen. Zudem verstehen wir die Sprache unseres "Touroperator" (=Fahrer und Info-Dienst) nicht oder können die Angaben auf den seltenen Schildern -in arabischer Schrift- nicht lesen. Tarife oder Fahrpreise sind uns unbekannt - erscheinen uns aber sehr, sehr günstig, von dem ausgehend, was mir der Fahrer an in der Hand vorgehaltenen Münzen entnahm.
Ein freundlich-erleichtertes "Shuhkran" (=arabisch für Danke!) zum Abschluß der Transaktion, und wir fahren -eingekeilt- in einer Menge neugieriger Menschen- mit dem Bus, der unser Reiseziel in 1 1/2 oder 2 Std. erreicht (soll). Dort sollten wir auch den Retour-Zeitpunkt erfragen und erfahren. Mit "Ana la afhamuka" = >ich verstehe sie nicht< und "Kam jukalif dhalika" = >was kostet es< und "Afwan alna" = >wo ist...< kamn wir immer -zweifelnd- dort an, wo's und hinzog. Und natürlich zurück.

Nein, unsere Reisen sind kein Abenteuer mehr, kein Karawanen-Feeling, nur eine Bus-/Zug-fahrt mit vielen Unbekannten und in einem unbekannten afrikanischen Land, dessen Sprache wir nicht können und die Schrift so aussieht, als wäre ein besoffenes, flügellahmes Huhn durch Schnee getaumelt! Ist auch icht sooo dramatisch, wenn einem der Anschlußzug vor der Nase in Bourekba in der stockfindsteren Nacht wegfährt und der nächste erst um 6:50 Uhr am nächsten Morgen kommen (soll). Nein, es macht uns nix aus, so zu reisen und stimmt uns auch nicht sooo besonders sorgenvoll, mit all den Unzuklänglichkeiten klar zu kommen und doch immer wieder "zielgemäß" anzukommen (wenn auch mal mit der Hilfe zerbeulter, uralter und verdreckter, gelber PKW) dank TAXI-Service.
Da fällt mir doch der Film-Titel "Taxi nach Tobruk" mit u.a. Hardy Krüger ein. Nur war dessen Kriegs-Tour (in Libyen, dem Nachbarstaat) viel weiter und gefährlicher als unsere "Tour durch die Dunkelheit".

Ich bemerke bei meiner Schreiberei des öfteren, daß das "dramatisieren" zu (m)einem Stilelement wird. Evtl. weil sonst das Erlebte zu trivial oder banal wirkt, kein "echtes" Abenteuer ist. Nicht wirklich berichtenswertes im Erlebten des Reiseablaufs aber viele, wirklich neue Eindrücke und Erlebnisse im und mit Unbekannten zu Hauf. Dies bot uns bisher unser Reiseverlauf und ohne Kauf des sonst üblichen Touri-Paket mit "Rundum-Sorglos"-Versorgung zu den schönsten Plätzen, wo jeder Bus seine Touristen-Ladung für Foto-huntings mit Lunch oder Dinner, auslädt.
Während wir in einem kl. Restaurant am "Rand des Geschehens" uns bei der Speisekarte mit BRIC, DIOGTES DE FATIMA, MÉCHOUIA - nicht zu verwechseln mit dem gegrillten MÉCHOUI, oder LABLABI, u.v.a.m., als original tunesische Spezialitäten "durchsuchen" um unser "Menü" selber zu creiren, tut derweil der Klima-Comfort-Reisebus von TUI oder NECKERMANN beim Restaurant SOLIMAN "ablegen", wo Steak und Pizza sowie Bier und Wasser (Bier gegen Aufpreis!) den hungrigen Komfort-Reisenden serviert wurde.

Unser "Restaurant" ist kaum größer als eine Garage, hat 4 runde Tische mit je 4 Stühlen nebst Grill-/Holzkohlen-Küche und riesigem Kühlschrank und... natürlich, einem riesigen, plärrenden Fernseher und zwei sehr freundliche junge Betreiber, die sich ums Wohl unserer Leiber flink und freundlich kümmern.
Einschl. des oblig. Minz-Tees, sind wir mit 15.000 TDN für 2 Pers. gut und sauber bewirtet worden (= ca. 8 Euro/2 Pers.; incl. Getränke). Da's hier ein Touristenplatz von Rang in Tunesien ist, sind wir etwas teurer als sonst -freundlich- bewirtet worden: ca. 1/3 teurer wars als sonst! Aber gut geschmeckt hat's uns, und zufrieden schieden wir als Freunde von Ali und Sadi, den beiden Betreibern und Schutzpatronen unsere Leiber!

Besichtigt haben wir die üblichen Trümmer und Steine, vor deren Datierungen man ehrfürchtig ist und in der Sonne schwitzt und im unebenen Gelände herumstolpert, bis es Zeit ist, den letzten Bus, vor Einbruch der frühen Dunkelheit, zu finden, der uns in rappelige-überfolle Innere zwängte, für 2,50 TDN bis ins 70 km entfernte Hammamet, einlässt. Welcher wird's von den ca. 12 Bussen mit verschiedenen Bestimmungsorten in arabischer Schrift wohl sein?
Frei nach dem Motto: "Die Müden müssen ins Rappelige" (das Runde muss ins Eckige), fanden wir nach der vierten "Anfrage"/Diskussion den Bus, einen Platz und bald danach schliefen wir wohl -von der Hitze und Gerappele im Bus- ein und träumten... zwar nicht vom antiken Gestein (es mußte bestimmt wieder VOR CHRISTI sein), sondern vom gekühlten Kelibia-Muscat-Wein unter Palmen am Meer in unserer Oase, einer Dusche, einem Bett und auch etwas von Abenden an Kameldung-Feuern vor Beduinenzelten in der Wüste.

"Wo wir heute den ganzen Tag denn gewesen seien", fragte uns die Dame vom Nachbartisch zum 2. Male auf deutsch. Müde zwar, aber wir erklärten es der erstaunten Dame (die schon 8 mal in Hammamet war!). Sie quittierte unsere kurze Erzählung mit der erstaunten Frage, wie wir dies denn -"allein"- geschafft und gefunden hätten?
Nun... dies ist eine ganz einfache Geschicht', wirklich nicht schwer und gewiss kein Abenteuer; nicht wahr?

Bon soir, ma cher Barbara; afwan (=Entschuldigung) wir sind müde und ich werde mit anderer Post dir berichten, was wir heute taten besichtigen!
Gruß, Christian

NS: Leider wieder etwas an der Lunge schwächelnder Kara Ben Nemsi, alias "Dr. Livingston", alias "Indiana Jones" in Nordafrika; Rommel lassen wir mal!


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