Weinnasen-Geschichten aus 2005

Ein Wein von "Gestern"!


16.04.2005

Tach aber auch!

Die Ruhe war ungewöhnlich in Düsseldorf vor... 60 Jahren, als die rheinische Festungsstadt, dank des geflohenen Gauleiters der NSDAP Florian, vom tag-täglichen Beschuß durch schwere Geschütze der engl. Armee, von Oberkassel (andere Rheinseite) zur Altstadt von dem 16. April an, vor 60 Jahren, verschont wurde!

Als letzte Stadt des "Ruhrkessels", unter Generalfeldmarschall Model, ergab sich Düsseldorf. Bis zu 90 % der Stadt war total zerstört und kaum 35 % der ehemaligen Bevölkerung war für den Aufbau aus Ruinen "gestern" da.
Bei meiner Mutter an der Hand lief ich, die Kilometer vom HBF nach Derendorf, nur durch eine gespenstische Trümmerstadt! Unter engl. Miltär-Besatzung begannen die legendären "Trümmerfrauen" ihre heute kaum bekannte Arbeit für lange, entbehrungsreiche Jahre in der sog. "schlechten Zeit", nach dem II. Weltkrieg, den die Nazi-Bestien angezettelt hatten.

Viel Zeit ist vergangen. Oft genug, wenn die >dumpfe Trommel< der Ewig Gestrigen wieder auf den Straßen dröhnt, glaube ich, wir haben aus der leidvollen Vergangenheit nix gelernt. Außer einem, dem Vegetieren gleichen Überleben dank der "Trümmerfrauen" und ihrer bewundernswerten Arbeit, teils dem Frondienst gleich!

Seit "Gestern" gab's viele Ehrungen, Festreden, Denkmäler für ehemalige Soldaten und Nazi's im Auswärtigem Amt. Auszeichnungnen und Orden in grade inflationärer Hülle und Fülle für die, die sich als Verdienstvolle so selber und selbstverliebt auszeichneten.
Nur ein >Denkmal< vermisse ich, eine Ehrenbezeichnung, einen Aufbauförderungs-Preis, ein Andenken an all' die Frauen und Mädchen, die mangels Männer, uns den Aufbau aus einer totalen Zerstörung nach 1945 "garantiert" haben.

Den TRÜMMERFRAUEN aus dem deutschen "Gestern" möchte ich ein Denkmal gewidmet sehen. Vor dem würdet ihr mich heute, fast ein Greis, stehen und weinen sehen. Tränen des Bedauerns und der Dankbarkeit, daß ich ein Leben in FRIEDEN und relativem Luxus verbringen kann. Aufgebaut von schwieligen, verschmutzten und vom Frost klammen Frauenhänden.
Die meisten dieser >Helden in Kittelschürzen< leben nicht mehr oder vegetieren in den abartigen "Abschiebe-Silo's" unserer Wohlfahrt. Im Abseits vom Altersheimen und Familien!

Es ist mir von meiner Mutter und Großmutter her überliefert, das zum Mai 1945, zur "Feier" über das Kriegsende durch Kapitulation der Kriegsherren, es eine Flasche Wein für "meine Frauen" -der Vater war noch in Gefangenschaft als Kriegsverbrecher- gab.
Der "Kiregskrüppel" und Nachbar Uppenkamp hatte eine Flasche *Deutschen Riesling* im Trümmerschutt gefunden und den "netten Mädels" so großzügig spendiert. Wie mir erzählt wurde, reichte eine Flasche des deutschesten aller Weißweine, für fast 20 (!) Damen in Kittelschürzen und abgelegter Uniform-Kleidung mit aufgemalten Nylons!
Die -leere- Flasche stand noch für Jahre auf dem großen Holz-Küchenschrank meiner Großmutter!
Und man(n) glaubt's kaum, ich kann mich noch an die Flasche, das Etikett und den Aufdruck erinnern, weil ein stilisierter Adler mich an die vielen Adler mit Hakenkreuz, in Schulbüchern geschwärzt, bei meinen Trümmer-"Schätzen" (="Funde" eines abenteuersuchenden Jungen an der Nachkriegszeit des letzten Jahrhunderts) erinnerte.

Also ist der *R*iesling für mich der sog. "erste Wein", an dessen leere Flasche ich mich noch gut erinnere. Und an den Bordeaux, an die vom Vater -versteckten- Genüsse in "Vorkriegs-Qualität" als 100 Punkte Genuß!

Meine Großmutter, die Nachbar-Familie Uppenkamp, die Frauen, die die Tröpfchen aus dieser *R*iesling-Flasche "genießen" durften, die leben nicht mehr. Die leere Flasche wurde damals, nach der Wohnungsauflösung und Sanierung des "Alten Hauses" (1976) in den Müll entsorgt.
In Erinnerung an die in Vergessenheit geratenen "Trümmerfrauen" und >Grundsteinlegerinnen< tat ich mir einen *R*iesling aus dem gleichen Weingut Sonntag-Spätnachmittag, ganz allein, am 16. April 2005, genehmigen. Da meine Mutter wieder im Krankenhaus war, fiel die gesamte "Dankesfeier" bei mir in FlinGERN zwar nicht aus, aber... sie ging mir, wie der Wein, in's Gemüt!
Im Gedenken an die Mädchen, Frauen und die Großmütter, die und dieses herrliche Weinland haben aufgebaut: "Aus Ruinen, auferstanden..." so vor 60 Jahren beginnend!!

Die Domaine "Assmanshausen" der hess. Staatsweingüter zu Kloster Eberbach haben mir den "Wein von Gestern" beschert. Die Lage "Höllenberg" (60 %-tige Steillage), die traditionelle Maischegärung in Eichenholzfässern, gäbe mehr nur als die doch für diese Lage an 80/85 schrammenden, recht belanglosen Spätburgunder alter Rüdesheimer Kegeltour-Freude her. Bessere Weinbergsarbeit und Auslese bei der Güte der Lese, würden hier den >einfach< möglichen Anschluß an einstige Qualitäten und Erfolge gewähren.
Schade aber nitt zu ändern, wenn das Land Hessen nur auf Prunkbauten achtete, statt auf den Wein im Glas! Auch im sonnenverwöhnten Rheingau müssen noch einige Weingüter von Rang sich anstrengen, die "Trümmer" aus ehedem verfehlter "Philosophie" und Vorbehalte von "verprellten" Kunden bei den teuren "Elixieren" gefallen lassen.

Der Inhaber des fast vergessenen, einst hoch renommierten WG, der Landgraf von Hessen, hat es auf seinem Weg in die neue "WeinWelt" geschafft, uns einen formidablen

- 2002 u. 2003er -
*R*iesling-Kabinett (halbtrocken)

aus der Lage "Johannisberger Vogelsang" zu präsentieren, der mir 85+ CPS "wert" wäre.
Die subtile Würze und Typizität in Frucht und Mineralik, ein elegantes Bouquet, aber mit genügend Biss und reife, süße Früchte haben dem Wein, mit unter 7 Euro/Fl. zu einem "Erinnerungswerten Erlebnis" werden lassen! Zu Griespudding mit frischen Erdbeeren!

Aber: Der Wein des WG bedarf noch weiterer Aufbau-Arbeiten, um die "Trümmer" aus "alten Schludertagen" abzubauen. Auch mein Vertrauen in diese mögliche Leistung hat der Moritz von Hessen und seine Mannen verdient.

Gruß olle Weinnase,
on the road again!


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