Weinnasen-Geschichten aus 2007

Der Tod, der Sommer und der Weg!

01.07.2007

Ich war jung, als ich starb. Sehr jung. Eigentlich sollte man in dem Alter überlegen, wie man sein Leben gestalten und führen will. Seine Zukunft planen und "seinen Weg" finden. Als Gestorbener brauchte ich dies nicht. All dies war für mich irrelevant: Lebensplanung, Karriere, oder "einen Weg" finden.
Ich war "frei" von diesen Zwängen und Konventionen und "Garbage of Life". Denn ich war gestorben! Und "frei sein" bedeutete mir nun alles auf dieserverrückten Welt, wo Geld und Macht den Menschen bedeutend macht. Mich reizte dies nicht. War ich doch schließlich frei von solchem Streben, was ich benoß. Denn Macht und Geld-Ansprüche machen -sichtbar- unfrei.
Keine Ansprüche konnten mich "verführen". Ich blieb unberührt von diesem und anderem Streben und genoß mein Leben.

Behutsam und zufrieden konnte ich manche Wege gehen und meine "Gestalt" dadurch stetig verändern und den Gegeben- wie Gelegenheiten anpassen. Ich wählte mir meine Rolle, meine Gestalt, selber aus. Jede Anpassung oder Adaption schuf ein anderes, von mir erfülltes Leben einer perfekt gespielten Rolle. Mehr noch, es wurden keine Rollen, sondern mit der Zeit schuf ich eine neue Gestalt, eine Persönlichkeit, einen Charakter, besondere Fähigkeiten... ein neues Leben!
Multiple Persönlichkeiten aber keine Persönlichkeitsspaltung eines psychisch Kranken. Psychiater täten sich hier sehr, sehr schwer, mir diese Freiheit zu glauben und nicht als Krankheit zu attestieren.
Gutes Allgemeinwissen, eine schnelle Auffassungsgabe und der Hang zu einer gewissen Perfektion halfen mir dabei, als Gestorbener mich stets in "neue Leben", mein Leben einzugewöhnen und angemessen auszufüllen.

Keine 16 und keine Sechzig mehr, die 70 vor den Augen, werde ich mir wohl wieder in Bälde ein neues Leben einrichten müssen. Neue Wege gehen und mir die immer verücktere Welt ansehen. Vor ein paar Tagen (28.06.07) wurde ein kleines Gebiet am Genfer See, eine ca. 800 Jahre alte Weinanbau-Region in absoluter Steillage und Terrassen-Anbau zu einem -weiteren- Unesco-Weltkulturerbe der Menschheit. Die dortigen Schweizer Bürger wollten ihre Heimat retten vor der Zersiedlung durch reiche "Häusle-Bauer". Und trotz Weinüberproduktion und aufwändige, teure Weinproduktion in (*) den pitoresken Weindörfern wollten die Bürger dies: Weinanbau als Heimatschutz. Schutz vor Verlust der Identität!

Identitäsverlust bedroht diese Menschen und ihren angestammten Lebensraum. Ihre althergebrachte Lebensart; ihre Eigenart. Ein wundervoller Erfolg, meine doch nicht nur ich alleine!?

Aber ich hatte keinen, der mich schützte. Dem mein junges Leben "nützlich" erschien. Keiner, der meinen Tod bemerkte oder später entdeckte: Denn ich starb an Gleichgültigkeit!
Und dies ist wohl der schlimmste Tod, weil man danach noch eine Weile weiterleben muß. Hier, genau an diesem Punkt, entscheidet man sich fürs Leidvolle und Kranke oder ein erfülltes leben in der "Freiheit der Gestorbenen". In Zufriedenheit und Dankbarkeit für diese Freiheit von Zwängen und Regeln die um mich herum das Leben der Leidvollen und Kranken -schrankenlos- prägt.

Manche Philosophen meinen, neues Leben kann nur durch Zerstörung, den Tod, entstehen. Oder durch "Loslassen" vom Bisherigen. Aus dem Chaos soll Neues wachsen. Altes dem Jungen Platz machten - und öfter dadurch aus Banalem und Lethargie aufwecken und sich "jünger fühen". Und dies als Chance für ein "neues Leben" begreifen; den Tod abstreifen.

6 Monate des Jahres 2007 sind nun vorbei. Eine sehr langwierige Lungenerkrankung, Schwäche und Fieber haben mich für Monate ans Bett gebunden und meine Ärzte mich unisono für schwerkrank befunden. Jeder meiner Versuche, mich von der Krankheit zu befreien, aufzustehen und meiner Wege -sehnsüchtig- zu gehen, scheiterte kläglich. Zeitweise fühlte ich mich wie in einem Gefängnis, wo die Gitterstäbe Schwäche und Therapiefolgen der Erkrankung und die Aussicht auf einen nahen Tod in Folge waren.

Krankheit(en) waren in den letzten Jahren ein sehr >bedrückendes< zentrales Thema in meinem Leben. Dadurch hieß es >Überleben< für mich. Beherrschen ließ ich mich von den/der Krankheit(en) jedoch nicht. "Laße ich nicht zu..." sagte ich oft zu mir, wenn ich die Beipackzettel der 9, 10... 12 oder 13 Medikamente-packungen las, die ich als "Chroniker" verordnet bekam. Die Nebenwirkungen -verharmlost- dargestellt bezahlte ich dazu noch von meinem, knapp gewordenen Geld und fiel oft in Depressionen. Haderte mit meinem Schicksal und fand mein Los als Siecher unerträglich sowie meinen "Lebensstil" schmählich.
Allmählich versank ich in Selbstmitleid und Trübsinn. Sah den Ausweg vor lauter Zettel mit "no way out" nicht mehr. Aber.. dies ist nun lange her; seit ein paar Tagen versuche ich einen neuen Weg zu gehen. Die nächsten 6 Monate optimistischer anzugehen. Ins Leben als "Neugeborener" und wieder rauszugehen!

Der jüdische Theologe (=Rabbiner) Jesus Christus, von den Christen als GOTT verehrt, soll ihrem Glauben nach, vom Tode, aus seinem Grab auferstanden sein. Denn sein Grab war von seinen Anhängern und Jüngern -leer- vorgefunden worden sein. Geschichtlich - historisch ist dies, sowie das Leben des großen Lehrers -nicht- wissenschaftlich konkret nachweisbar. Aber >OHNE< die Auferstehung gäbe es keinen christlichen Glauben und die (täglichen) Eucharistie-Feiern (=Heilige Messen!) wären Nonsens; bloßer Kult-Rummel einer "machterhaltenden Kirche". Kein Leben nach dem Tode?
Ich denke - ich glaube - ich zweifle - ich hoffe! Und ich bin, durch viele Tode, als Gestorbener doch auch immer wiederaufgestanden und haben mein "neues" Leben gelebt!

Durch Gottes Güte und Wirken!
CpS

(*) Keine kleinteilige Wingerte mehr, sondern durch Groß-Winzereien!


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