15.08.2007
Tach aber auch!
Das -staatliche- Dekret schlug wie eine Bombe 1994 ein. Den ums Überleben kämpfenden Winzern wurde die traditionelle Weinbezeichnung - eine alt-ehrwürdige Handels-Marke >MARSALA< aberkannt. Zuviel Fusel wurde auf Sizilien produziert und als "Marsala al banana", "Marsala al cocco" oder "Marsala alla Mandorla", "Marsala all' uovo" vertickert.
Marsala, ein schwerer, süßer und (ca. 15,5 %) alkoholreicher Wein, war noch in den 60igern des letzten Jahrhunders ein bekannter wie gesuchter Dessert- oder Aperitif-Wein. Einige damals in der aufkeimenden Gourmet-Zeit - vor der Aufklärung des "Feinschmeckers" - oft in den gut-bürgerlichen Restaurants ("Sterne" etc. gabs noch nicht) als Krönung der Küchenleistung in Soßen reichlich verpanscht: "Filet Rossini mit Gänseleber, Kaviar und Marsala-Soße" war der Hit der damaligen Edel-Restaurants. So wie im "Zweibrücker Hof" oder bei "Müllers und Fest" auf der Düsseldorfer Königsallee. Und was die "Spitzen-Gastronomie" auf der Kö s.Zt. servierte, wurde auch in den anderen deutschen "Freßtempeln" serviert und gierig - in der "Wirtschafts-Wunder-Zeit" - vertilgt.
Specknackige Stahlbarone nebst Matrone mit Blumenkohl-Oberarmen und sichtbarem Übergewicht fanden diese "Internationale Küchen"-Leistung gar zu verführerisch.
Dabei hat der sizilianische Stenz doch elegante Vettern. Den Sherry, Portwein oder -sehr fino- den Madeira. All' diese Weine waren auf den engl. Indien-Fahrern, Segelschiffe damals, der Sailors verbriefte Weinration. Dazu sollte sich den damaligen Mangelerscheinungen bei der monatelangen "Großen Fahrt", dem gefährlichen Skorbut, vorbeugen.
Nur extrem süßer und alkoholreicher Wein war so lange Zeit auf See sicher vor'm "umkippen", was u.U. eine Meuterei zur Folge gehabt haben könnte. Die "schweren" Zypern-Weine oder MALVASIA, aus der peloponnesischen Stadt Monemvasia, waren da die begehrten Weine diser Zeit; und für sehr lange Zeit.
Ganz simple sizilianische "Bauernweine", extrem alk.-lastig und süß, wurden durch einen "marsalizzazione" genannten Prozeß sherry-gelb eingefärbt und waren sehr begehrt, weil Madeira und Spanien mit der Produktion ihrer Weine nicht nachkamen.
Sir John Woodhouse in 1773 begann mit der einträglichen Produktion; Anbau und Handel auf/von Sizilien folgte später. Genau wie die Gentleman Ingham, Whittaker oder Hopps es ihm nachmachten und %-schwere Marsala-Dynastien aufbauten. Neben Sulfur war es diese Plörre, die den Handel auf Sizilien, aus Wein-Industrien, anführte. Bekannt wurde auch die kalabresische Familie des Ignazio FLORIO, der mit über 100 eigenen (Fracht-)Schiffen die damalige kgl. Flotte übertrumpfte. Die Werkhallen in Marsala ließ sich der Clan der Kalabreser vom damaligen Star-(Opernhaus-)Architekten Ernesto Basile errichten.
Mondän und sehr luxuriös auftretend, waren die Marsala-Damen der damaligen Gesellschaft, die auch die legendäre Auto-Bergrallye "TARGA FLORIO" inscenierten.
Durch Mißmanagement und enorme Glückspiel-Verluste ruiniert, ging 1929 die Besitzung, die Flotte, ins ital. Imperium CINZANO über. Heute im Besitz einer engl./nordital. Holding, sind aus den ehem. über 1.200 gutbezahlten Arbeitsplätzen bei "Florio" nur... 50 zum Ende des 20 Jh. geblieben: Temps per du... vergessen die herrlich -trockenen- Vergine- Weine, wie "Terre Arse", die der ital. National-Held und Revoluzzer in Süd-Amerika, <GARIBALDI> einst, als "Riserva" in slawonischer Eiche lange gereift, so sehr schätzte.
In der Gemarkung <SAMPERI> hat ein kl. Weingut, unter der famosen Leitung des sehr engagierten <Marco de Bartoli> angefangen, dem traditionsreichen Namen Marsala wieder gebührende Ehre in der WeinWelt zu geben. Handwerkliche "Knochen"- und Qualitätsarbeit, Verzicht auf die einengenden "Regeln" des Marsala-DOC-Siegels, und mit Unterstützung der ebenso dickköpfigen wie charmanten Assistentin Maddalena, haben es den beiden "Träumern" gelingen lassen, einen internationalen Spitzenwein der erstaunten Kennerschaft zu präsentieren.
Eine Cuvée von ca 85 % Cataratto bzw. Grillo-Trauben, und nicht mehr als 15 % der Inzolia-Trauben, im <SOLERA>-Verfahren gekeltert, haben einen "VECCHIO SAMPERI" mit -relativ- moderatem Alk.-Grad von 15,5 %, zu einem charakteristischen Marsala von Sizilien werden lassen. Inzwischen ist Don Marco der Präsident des sizilianischen Wein-Instituts geworden und keltert aus ur-alten, autochthonen Rebsorten grandiose Weine. Z.Bsp. von den Weinfeldern der Insel <Pantelleria> den herrlichen und -TROCKENEN- "ZIBIBBO". Auch den trockenen Tischwein "Baglio Samperi" sollte man getrost probieren.
Aus ländlicher Gutshof-Tradition, auf der Insel der <PUNIER> - die einst der Marsala-Dynastie Whittakers gehörte - neben den Salinen gelegen pflegt Dino Agate auf der Az. Agrituristica "BAGLIO VAJARASSA" die gleiche Tradition des Marsala heiter weiter. Und bei ihm kann man auch - beschaulich-ländlich speisen und übernachten und sich die Geschichten der Salinen-Poeten erzählen lassen; bis die Zunge schwer und die 2te Flasche des "Selbstgemachten" leer ist.
Drei Marsala-Geschichten, die unterschiedlicher nicht sein können. Genauso wie die hervorragenden Weine von Sizilien, die wieder -langsam- weltweit Rang und Beachtung erhalten. Und m.M.n. auch verdienen!
Feudalbesitz? Nein, aber ein formidables, altes Bio-Landgut (Masserie) bietet hier im sog. AGRO-TOURISMO mediterranen Lebensstil und sizilianische Gastfreundschaft, in der alten Ölmühle des Restaurants, an. Unterhalb vom <Polizzi Generosa> empfangen Signor Marco Cipolla und seine Herzensdame Maria Cristina, neben der Riesen- Dogge "Spartaco", die Gäste und verwöhnen diese aufs beste. Mit dem, was der eigene Weinberg, Ölbaum-Hain <"IL VECCHIO FRANTOIO"> in rustikaler Architektur, alles hergibt: Dieser typisch sizilianische "Landadel" weiß mit Grandezza die <Madonien-Spezialitäten> den erwartungsfrohen Gästen vorzusetzen und großzügig die eignenen Weine aus der <Contrada Cugno Santo> einzuschenken (piemontesische Barbera-Trauben mit autochthonen Sizilianern (z.Bsp. Tradivi di Ciaculli), als gelungene Cuvée!)!
Dazu die "Pasta con la fritedda", den Nudeln mit frischen Hülsenfrüchten und Käse.
Gemeinsam mit den anderen Gästen - zumeist aus den "besseren" Kreisen Palermos - tafeln, genießen und locker-leicht über Belangloses plaudern: Ein typischer "lasziver" Sonntag in der Campagna. Stilvolle Gästezimmer erwarten dann, am frühen Abend endende Gelage mit "entlassenen" Gästen, die zu neuen Freunden wurden!
Nach -mindestens- zwei Primis, mind. zwei Secondi im Stile der adeligen <Gattopardo-<Küche, hat man die "antichi sapori dell' infanzia", die (fast) vergessenen Geschmäcker der Jugend/Kindheit im rustikal-gepflegten Speisezimmer bei Donna Maria Cristina bestimmt wiedergefunden.
Nein? Noch nicht? Wie wärs dann mit "Gelo die Melone"? Einer palermitosch-arabischen -kalten- Melonenspeise zum Nach-Nachtisch?!?
Man braucht:
Eine -mind. 500 gr. schwere- reife Wassermelone,
eine Zimtstange,
eine Handvoll Jasmin (oder Holunder-)Blüten,
ca. 75 gr. Zucker,
ca. 40 gr. Speisestärke,
genügend Splitter einer guten Bitter-Schokolade,
genügend ungesalzene Pistazienkerne.
Das von den lästigen Kernen befreite Fruchtfleisch der Melone durch ein Sieb passieren, damit nur der Saft übrigbleibt. Die ganze Zinmtstange mit den Blüten dazugeben; kühlstellen über Nacht.
Am Tag des Essens (morgens) erneut passieren, den Zucker und die gut-aufgelöste Speisestärke dazurühren. Bei leichter Hitze solange reduzieren, bis eine chremige Konsistenz köchelt. Dann in "spannende" Formen füllen, auskühlen lassen und danach im Kühlschrank kühlen, bis die Masse kalt und fest ist. Mit den Schoko-Splittern und Pistazien überstreuen und mit Blüten geschickt garnieren!
Dazu würden wir vom "Asti-Spezialisten" des Weingutes "Torelli San Gród", ein Moscato d'Asti DOCG aus dem Jahre 2006 - Gianfranco Torelli - gefallen. Mit nur 7,60 Euro ist der Preis "ausgefallen" niedrig und das typische Muskat-Aroma betört den erstaunten Genießer, der bis 2008 (2009) an dem Asti seine helle Freude haben wird.
Dieser Bio-Asti stammt vom extremen, steilen Weinberg San Gród bei Canelli und Aqui Terme im Piemont mit seinen weltberühmten Nebbiolo-Weinen. Eine ebenso traditionelle Spezialität ist auch der Moscato d'Asti mit Klasse.
Feinperliges, helles Gelb mit deutlichen, grünlichen Reflexen. Dann die Würznoten mit dem genüßlichem floralen Anklang und Aprikosenaromen. Sehr aromatisch, angenehm erfrischend und nachhaltig "prickelnd". Angenehmer Dessert-Begleiter. Aber auch als Aperitif würde ich diesen Moscato ("Asti" verwirrt mich und es lässt mich etwas "schütteln"; das Wort bei Wein/Sekt "schmeckt" mir nicht!) empfehlen.
Wo aber ist die sog. "Armen-Küche" bei den "Sizilianischen Ansichten" der ollen Weinnase geblieben?
Dazu müsste ich zunächst auf die Straße und über die Märkte schlendern und bei den Händlern nachfragen, wo sie essen würden/werden und wen sie in der Nähe beliefern. Sehr lieb wäre mit eine so typische "Lokal-Größe" wie die <"OSTERIA MAMMA">. So wie sie kocht kaum eine die "Pasta alla Carrettiera", die -sehr- pikanten Nudeln auf Fuhrknechtsart. So etwas gibts abseits der Touri-Wege, die Markt-Trattoria der Mamma Carmella am Mercato des Borgo Vecchio. An den trostlosen Hafenanlagen und dem Politeama Garibaldi. Hier fand man solche Genüsse, wie das, von dem Ernst Jünger 1929 schwärmte: "Pasta con le Sarde"; eine arabisch-sizilianische Spezialität.
Genauso wie die "panierte Thunfisch-Milch", der "Lattume di Tonno fritto". Die Fuhr- und Marktleute sind, wie die Hafenarbeiter von Palermo, die "armen Leute". So wie ich!
Eure olle Weinnase;
"on the road again" i.S. "Reiner Wein".
Der Reiche hats schwerer als der Arme. Er kann nicht "einfach" essen!
CpS
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